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Neues EU-Chemikalienrecht: Tierschutz und Verbraucherschutz sind vereinbar!
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Eine starke Zunahme von Tierversuchen lässt sich bei Anwendung neuer Prüfstrategien vermeiden
Das neue europäische Chemikalienrecht führt nach Auffassung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) zu einer spürbaren Verbesserung des Gesundheitsschutzes. Diese Verbesserung ist nicht zwangsläufig mit deutlich erhöhten jährlichen Versuchstierzahlen verbunden, wie von verschiedenen Seiten befürchtet. Das stellte das BfR in einer neuen Studie fest. "Voraussetzung ist allerdings, dass die derzeit in der Entwicklung und Erprobung befindlichen alternativen Methoden zum Tierversuch schnell international anerkannt und eingesetzt werden," sagt BfR-Präsident Professor DDr. Andreas Hensel. Das europäische Chemikalienrecht soll grundlegend erneuert werden. Kern ist der im Oktober letzten Jahres vorgelegte Entwurf der Europäischen Kommission. Dieses unter der Bezeichnung REACH zusammengefasste neue Konzept steht für Meldung (Registration), Bewertung (Evaluation) und Zulassung (Authorisation) von Chemikalien. Bislang unterliegen nur neu entwickelte Chemikalien einem Meldeverfahren, das eine Bewertung des gesundheitlichen Risikos verlangt. Die Risikobewertung der mengenmäßig weitaus wichtigeren, bereits seit Jahrzehnten auf dem Markt befindlichen sogenannten Altstoffe erfolgte in den letzten 20 Jahren nur schleppend. Nach dem Vorschlag der europäischen Kommission soll künftig ein einheitliches Verfahren für alle Chemikalien eingeführt werden. Gesundheits- und Verbraucherschutz sollen durch ein verpflichtendes Programm zur Gefahrenidentifizierung, Risikobewertung und Risikominderung verbessert werden. Insbesondere Chemikalien, die aus toxikologischer Sicht als krebserzeugend, erbgutverändernd oder schädlich für die Fortpflanzung gelten, sollen in Zukunft einem europäischen Zulassungsverfahren unterworfen werden. Die Industrie kritisiert, dass REACH zu Kosten in Milliardenhöhe führe. Die Wissenslücken bei den 20.000 bis 30.000 seit Jahrzehnten vermarkteten, bisher aber nur unzureichend untersuchten Chemikalien müssten mit toxikologischen Tierversuchen geschlossen werden. Tierschutzgruppen fürchten, dass das REACH-Programm eine ungeheuer große Zahl von Tierversuchen nach sich ziehe. Dies sei aus ethischer Sicht nicht akzeptabel. Wissenschaftler des BfR, die in Deutschland für die toxikologische Bewertung von Chemikalien zuständig sind, haben den Aufwand tierexperimenteller Untersuchungen bei der Umsetzung von REACH geschätzt. Sie errechneten die Anzahl der benötigten Versuchstiere, wenn die Chemikalien, einschließlich der Altstoffe, entsprechend der von REACH empfohlenen toxikologischen Methoden geprüft werden. Ergebnis: Unter diesen Vorraussetzungen ist ein Bedarf von 45 Millionen Versuchstieren innerhalb der nächsten 15 Jahre denkbar. In einer zweiten Rechnung schätzten die BfR-Wissenschaftler die Zahl der benötigten Versuchstiere, wenn neue, darunter viele tierversuchsfreie Methoden und Konzepte angewandt werden, ohne das Niveau des Gesundheitsschutzes zu senken. Hier würden nach Ansicht der Wissenschaftler im gleichen Zeitraum nur 7,5 Millionen Tiere (vorwiegend Ratten) benötigt. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass damit die gesundheitlichen Gefahren aller wichtigen auf dem Markt befindlichen Chemikalien untersucht würden. Nach Ablauf der 15 Jahre wird der Tierverbrauch in beiden Fällen drastisch zurückgehen. Die Entwicklung dieser neuen Methoden in der Toxikologie wird nach dieser Studie also einen entscheidenden Einfluss auf den zukünftigen Bedarf an Tierversuchen haben. Leider sind die Methoden oft nicht international anerkannt. Ihre Akzeptanz und Anerkennung beeinflusst daher wesentlich den künftigen Bedarf an Tierversuchen innerhalb des REACH-Konzeptes. 80 % der bei der zweiten Rechnung geschätzten 7,5 Millionen Versuchstiere sind notwendig, um gesundheitliche Risiken der Chemikalienexposition in der Schwangerschaft und frühkindlichen Entwicklung aufzuklären. Deshalb fördert die Europäische Union im derzeit laufenden 6. Rahmenprogramm die Entwicklung von tierversuchsfreien Methoden für die Bewertung dieser Risiken in einem multidisziplinären, multinationalen Projekt mit 35 Partnerinstitutionen, an dem auch das BfR beteiligt ist. Die Zahl der Tierversuche kann nur minimiert werden, wenn die derzeit oft noch übliche bürokratisch-formale Regelung zur Prüfung von Stoffen, die bestimmte Tierversuche zwangsläufig verlangt, von einer flexibleren Strategie abgelöst wird. Gleichfalls müssen computergestützte Expertensysteme und versuchstierfreie Labormethoden weiterentwickelt und experimentell validiert werden. Hierzu sind nach Ansicht der BfR-Wissenschaftler zusätzliche Fördermittel nötig. Ohne Validierung ist die Nutzung alternativer und neuer Prüfmethoden für die wissenschaftliche Bewertung gesundheitlicher Risiken nicht akzeptabel. Die englischsprachige Studie des BfR wird in der Zeitschrift Archives of Toxicology (Volume 78) unter dem Titel "Animal testing and alternative approaches for the human health risk assessment under the proposed new European chemicals regulation" erscheinen. Sie kann schon heute im Online-Angebot des Springer Verlages Heidelberg abgerufen werden. www.bfr.bund.de
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